Chronik der Aufklärung (Kapitel 7): Mai+Juni+Juli 2012: Schäferbericht, Freilassungen, Aktenschredderei und drei entlassene VfS-Präsidenten

Chronik der Aufklärung (Kapitel 7): Mai+Juni+Juli 2012: Schäferbericht, Freilassungen, Aktenschredderei und drei entlassene VfS-Präsidenten

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Mai 2012: Im Nachgang der Anordnung vom 14.11.2011 wird ein weiterer Aktenordner über Observationen der rechten Szene im BfV geschreddert. Es ist der 28.

Für den Feuerwehreinsatz am 4. November 2011 stellt die Stadt Zwickau Beate Zschäpe eine Rechnung i.H.v. 44.000 €. Zschäpes Anwälte lehnen die Forderung ab, weil eine Tatbeteiligung an der Explosion noch nicht erwiesen sei. Die Stadtverwaltung habe die Bearbeitung des Vorganges daraufhin bis zum Abschluss des Verfahrens ausgesetzt.

7. Mai: Anders Breivik, rechtsextremer Terrorist aus Norwegen, schreibt auf englisch einen Brief aus dem Gefängnis an die in Köln inhaftierte Zschäpe. Er lobt die Attentate des NSU. „Liebe Schwester Beate! […] Sollte deutlich werden, dass Du tatsächlich eine militante Nationalistin bist, die sich auf diese Weise einbringen wollte, wirst Du in den Augen vieler als couragierte, nationalistische Widerstandsheldin erscheinen, die alles tat und alles opferte, um den Multikulturalismus und die Islamisierung Deutschlands aufzuhalten. [zensiert] Beate, ich hoffe, Du wirst freigesprochen; solltest Du aber verurteilt werden, hoffe ich, dass Du gewillt bist, mit mir zu korrespondieren. Wie Dir bekannt sein sollte, werde ich den Rest meines Lebens im Gefängnis verbringen, oder zumindest bis das Regime in der Zukunft ausgetauscht wird :) Wir beide sind unter den ersten Regentropfen, die einen massiven, reinigenden Sturm ankündigen, der sich Europa nähert :) […] Die westeuropäischen Gefängnisse werden mit anti-kommunistischen/anti-islamischen Widerstandskämpfern wie uns gefüllt werden. Die verräterischen Kulturmarxisten und Multikulturalisten werden letztendlich diesen europäischen Kulturkampf verlieren. […] Wir beide sind Märtyrer für die konservative Revolution und Du solltest gewaltig stolz auf Dein Opfer und Deine Anstrengungen sein :) Sei Dir gewiss, dass Dein Opfer in Nordeuropa von zigtausenden Kulturkonservativen gefeiert wird. […]“. Der Brief wird erst Mitte November öffentlich bekannt.

14. Mai: Der MDR berichtet, die NSU-Mitglieder hätten sich offenbar nach ihrem Untertauchen im Januar 1998 noch wochenlang in Jena aufgehalten. Darauf deuteten Ermittlungsakten hin. Demnach wurde das Trio vom damaligen NPD-Funktionär Wohlleben und dessen damaliger Freundin unterstützt. Die Fahnder gehen laut MDR davon aus, dass die drei in den ersten Wochen bei Wohlleben Unterschlupf gefunden haben könnten.

15. Mai: Der ehemalige Bundesrichter Gerhard Schäfer legt seinen Bericht zur Arbeit der Sicherheitsbehörden in Thüringen vor. Bei der Vorstellung des Abschlussberichts am Dienstag in Erfurt bemängelten Schäfer und Geibert insbesondere Mängel beim Informationsaustausch zwischen Verfassungsschutz, Polizei und Justiz. Diese hätten nicht so professionell zusammengearbeitet, wie es zu erwarten gewesen sei, sagte Geibert. Es habe sowohl an der notwendigen Abstimmung zwischen Behörden und Justiz als auch an der Auswertung, der Informationsweitergabe, der Dokumentation sowie der Kontrolle gemangelt. Mitunter hätten beinahe chaotische Zustände geherrscht.
Der Bericht entkräfte aber zugleich Spekulationen, wonach die mutmaßlichen Bombenbauer und Terroristen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe staatlich gedeckt worden seien. Sie hätten auch nicht als V-Leute gearbeitet. Später wurde allerdings bekannt, dass der Schäfer-Kommission nicht alle Akten vorgelegt wurden.

24. Mai: Bei den Ermittlungen zu möglichen Fahndungsfehlern bei der NSU-Mordserie weist der frühere bayerische Innenminister Beckstein Kritik zurück. Er könne keine Versäumnisse erkennen, sagte er bei seiner Befragung vor dem PUA BT. Es habe eben keine heiße Spur gegeben, betonte er. Die rechtsextreme Zelle NSU sei „höchst konspirativ“ gewesen.

25. Mai: Der Bundesgerichtshof hebt auch den Haftbefehl gegen Holger G. auf. Es gebe keinen dringenden Tatverdacht, dass er den NSU unterstützt habe, entschied der Strafsenat. In dem Haftbefehl war Holger G. unter anderem vorgeworfen worden, dem Trio eine Pistole besorgt zu haben. Holger G. soll den Ex-NPD-Funktionär Wohlleben in einer umfassenden Aussage schwer belastet haben. Gegenüber Ermittlern habe er unter anderem angegeben, dem Trio auf Anweisung Wohllebens vor rund zehn Jahren einen Reisepass und eine Waffe verschafft zu haben. Zudem habe er Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos kurz nach ihrem Abtauchen 1998 insgesamt 3000 D-Mark zur Verfügung gestellt.

29. Mai: Die Bundesanwaltschaft ordnet die Freilassung von zwei weiteren mutmaßlichen Unterstützern an. Die Haftbefehle gegen Carsten S. und Matthias D. seien aufgehoben worden, teilte die Anklagebehörde in Karlsruhe mit. Carsten S. habe ein umfangreiches Geständnis abgelegt und es gebe keine Fluchtgefahr. Bei Matthias D. hätten sich die Verdachtsmomente als nicht stichhaltig genug erwiesen.
Carsten S. wird verdächtigt, den NSU gemeinsam mit einem weiteren Beschuldigten im Jahr 1999 oder 2000 die Waffe für die Morde an neun Geschäftsleuten ausländischer Herkunft geliefert zu haben. Mathias D. soll zwei Wohnungen für die NSU gemietet haben.

31. Mai: Das BKA erhebt gegen Zschäpe umfassendere Vorwürfe als bislang bekannt. Laut NDR Info machen die Ermittler sie auch dafür verantwortlich, das Bekennervideo miterstellt zu haben.

14. Juni 2012: Der Bundesgerichtshof (BGH) hebt einen weiteren Haftbefehl auf. Der Beschuldigte André E., der an der Produktion des Bekennervideos mitgearbeitet haben soll, ist wieder frei. Er sei nicht dringend tatverdächtig. Die Staatsanwaltschaft hatte argumentiert, dass E. als einziger der Verdächtigen das nötige Wissen habe, ein Video zu produzieren. Schließlich verfüge er als Fachinformatiker über besondere Kenntnisse der Datenverarbeitung. Dieser Argumentation folgte der Bundesgerichtshof nicht. Der Film sei so geschnitten, dass auch „ein interessierter Laie hierzu in der Lage gewesen wäre“.

25. Juni: Zschäpe wird von der JVA Köln zur JVA Gera transportiert. Dort darf Sie ihre Großmutter und Mutter treffen. Die Angeklagte sprich während der Fahrt mehrere Stunden mit den begleitenden Beamten, unter anderem über Anwälte, die sie kritisierte.

28. Juni: „Sie sind aufgefordert worden, Akten zu suchen, sie haben Akten gefunden und sie haben die Akten vernichtet“, sagte der PUA-BT-Vorsitzende Edathy über das Vorgehen des BfV. Die Ermittler sollten demnach am 11.09.2011 Akten zur sogenannten „Operation Rennsteig“ für die Arbeit der Bundesanwaltschaft zusammenstellen, stattdessen seien am selben Tag Akten vernichtet worden. Bei der „Operation Rennsteig“ handelte es sich um eine Zusammenarbeit des Verfassungsschutzes mit dem THS, aus der der NSU hervorgegangen ist. CDU-Obmann Binninger hielt die Begründung des Verfassungsschutzes für die Aktenvernichtung für nicht glaubwürdig. Die Behörde habe erklärt, bei der Suche nach Beweismitteln zu den NSU-Terroristen sei aufgefallen, dass die Speicherfristen für die fraglichen Dokumente abgelaufen seien. Binninger betonte: „Ich halte diese Begründung für wenig überzeugend, für wenig plausibel, weil man in so einem Fall natürlich die Amtsleitung fragen müsste“. Q1, Q2,

2. Juli 2012: BfV-Präsident Fromm gibt sein Amt vorzeitig ab. Der 63-Jährige werde auf eigenen Antrag hin zum 31. Juli in den vorzeitigen Ruhestand versetzt, teilt das BMI mit. Als Grund für sein Rücktritts-Gesuch gab er an, dass er sich von seinen eigenen Mitarbeitern getäuscht fühlt. Hinter seinem Rücken wurde trotz Verbot weiter geschreddert. “Nach meinem derzeitigen Erkenntnisstand handelt es sich um einen Vorgang, wie es ihn in meiner Amtszeit bisher nicht gegeben hat. Hierdurch ist ein erheblicher Vertrauensverlust und eine gravierende Beschädigung des Ansehens des Amtes eingetreten.”

Eine an der Aktion vom 10.11.2011 beteiligte BfV-Mitarbeiterin sei wegen dem psychischen Druck seit ihrer vorläufigen Weigerung, die Anordnung zur Aktenvernichtung zu befolgen, bis heute krankgeschrieben. “Die Frau ist nicht nur dienst-, sondern auch reiseunfähig. Sie stehe unter “erheblicher psychischer Belastung”, erklärt Edathy, und soll von zwei Mitgliedern des Ausschusses zu Hause in ihrem Wohnort Köln vernommen werden.”

Außerdem wird bekannt, dass der italienischen Staatsschutz AISI bereits im März 2003 das BfV über eine rechtsextreme Terrorzelle gewarnt hatte. Dies sei aus Erkenntnissen hervorgegangen, die aus Ermittlungen im Umfeld euroäischer Nazi-Treffen hervorgangen seien. Brisant ist diese Information, da Fromm vor dem PUA BT betuerte, seine Behörde habe seit 2001 keine rechtsextremen Sturkturen ausmachen können. Q1

3. Juli: Die Abgeordneten im PUA BT sind einmal mehr fassungslos: Beim Kölner Nagelbombenanschlag wurden im Jahr 2004 insgesamt 30 Menschen verletzt. Ermittler sprachen damals klar von Rassismus als möglichem Tatmotiv. CDU-Obmann Clemens Binninger sagte nach der Befragung der beiden Leiter der damaligen Ermittlungskommissionen, die Vernehmungen hätten gezeigt, dass die beiden Sprengstoffanschläge das Potential für eine heiße Spur hatten. „Es ist eine besondere Tragik in den Ermittlungen, dass es zweimal nicht gelungen ist, diese heiße Spur aufzunehmen, die unweigerlich zum Trio Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe geführt hätte“, meinte Binninger. Denn neben dem Video lag den Kölner Ermittlern unter anderem auch die Arbeit von Profilern vor, also Experten von LKA und BKA, die in einer sogenannten Fallanalyse versuchen, Täter und ihre Motive zu beschreiben. „Wir hatten in Köln die deutlichste Fallanalyse, die wir in den Akten haben“, sagt die SPD-Abgeordnete Högl. „Sie besagte, dass es sich bei dem Sprengstoffanschlag 2004 um eine menschenverachtende Tat handele. Die Täter wollten so viele Türkinnen und Türken treffen wie möglich, und es wurde klar von Türkenhass und einem fremdenfeindlichen Hintergrund gesprochen.“

TLfV-Präsident Thomas Sippel gibt sein Amt auf und wird in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Sippel habe das Vertrauen des Parlaments verloren, erklärte Innenminister Jörg Geibert. Sippel, der seit November 2000 das Amt führte, stand zuletzt wegen seiner Informationspolitik zur „Operation Rennsteig“ bei der Verfolgung des NSU stark in der Kritik. Bei der geheimen Aktion ging es zwischen den Jahren 1997 und 2003 um den Einsatz von V-Leuten im Umfeld des THS, aus dem der NSU hervorgegangen war.

4. Juli: Hinterbliebene des Hamburger NSU-Opfers Süleyman Tasköprüs stellen bei der GBA Strafanzeige gegen Mitarbeiter des BfV wegen der Aktenvernichtungen. Die GBA leitete die Strafanzeige aus Zuständigkeitsgründen an die Staatsanwaltschaft in Köln weiter, weil das BfV dort ansässig ist. Die Strafanzeige gegen namentlich unbekannte Mitarbeiter sei von der Hamburger Rechtsanwältin Gül Pinar und drei weiteren Rechtsanwälten übermittelt worden. Erreicht werden soll damit unter anderem ein Durchsuchungsbeschluss für die Räume der Behörde.

Das BMI verfügt den Stopp sämtlicher routinemäßiger Vernichtungen für Akten über Abhöraktionen. Nicht öffentlich bekannt ist, dass bisher 310 Akten vernichtet wurden.

Einsetzung PUA BY.

5. Juli: Die geschredderten Akten werden teilweise wieder hergestellt und dem PUA BT zugänglich gemacht. Die Abgeordneten sprechen von wiederhergestelltem Vertrauen, wobei eben nicht alles eingesehen werden konnte. Auch nähren sich Verdachtsfälle, dass nicht alle Unterlagen und Dateien vollständig geführt wurden. Oft fehlten Angaben zu Anwerbeversuchen oder Klarnamen. Auch konnte die Behauptung, Zschäpe hätte eine VfS-Doppellgängerin gehabt haben, nicht ausreichend ergründet werden.

BfV-Präsident Fromm bestätigt im nichtöffentlichen Teil seiner Befragung durch den PUA BT die Existenz der „Operation Saphira“ , die das Bundesamt gemeinsam mit dem TLfV im als Weiterfürhung von „Rennsteig“ durchgeführt habe. Demnach habe das BfV 2003 und 2005 rund 25 Neonazis angesprochen. In mindestens zwei Fällen sei die Werbung erfolgreich gewesen. Einer der beiden V-Leute sei nach 2005 an das TlfV übergeben worden. Damit erhöht sich die Zahl der rechtsextremen V-Leute, die das BfV zwischen 1997 und 2005 in Thüringen führte, auf zehn. Q1,

9. Juli: Ex-TLfV-Präsident Roewer weist vor dem PUA TH den Verdacht zurück, dass der Geheimdienst V-Leute vor Polizeirazzien gewarnt habe. Ihm sei nicht eine einzige Tatsache in dieser Hinsicht bekannt geworden obwohl die Polizei Informationen weitergegeben hatte. Zuvor berichteten ehemaligen Mitarbeiter Roewer als unberechenbaren Vorgesetzten, der in „menschenverachtender Form“ geherrscht habe. Q1,

10. Juli: Der ehemalige Innen-Staatssekretär Lippert und der ehemalige Innenminister Schuster berichten vor dem PUA TH, dass sie keine Angaben zu der Einstellung Roewers machen können, da sie damit nichts zu tun gehabt hätten. Kabinetts-Protokolle aus dem Jahr 1994 belegen jedoch, dass Roewer auf Vorschlag Lipperts und bei Anwesenheit Schusters ernannt wurde. Die Urkunde unterzeichnete der damalige MP Vogel. Q1, Q2

11. Juli: LfVSN-Präsident Reinhard Boos gibt sein Amt zum 1. August ab. Boos habe um seine Versetzung gebeten, so Innenminister Ulbig. Ulbig spricht vom „eklatantem Fehlverhalten“ einzelner Mitarbeiter. Boos ist der dritte führende Verfassungsschützer, der seit dem Bekanntwerden der NSU-Terrorserie aufhört.

12. Juli: Hans-Georg Engelke wird von Bundesinnenminister Friedrich damit beauftragt, die Serie an Aktenvernichtungen aufzuklären.

14. Juli: LfVSN wehrt sich gegen Vorwürfe gezielter Aktenvernichtung. Zwar seien personenbezogene Daten aufgrund gesetzlicher Löschungspflichten entfernt worden. NSU-Akten sollen davon jedoch nicht betroffen sein. Anlass für die Gerüchte ist ein Fragenkatalog der Linken-Abgeordneten Köditz, die wissen wollte, ob auch in Sachsen Akten geschreddert wurden. „Die Frage ist, welchen Personenkreis der Verfassungsschutz als NSU definiert“, sagte Köditz.

15. Juli: In Thüringen tauchen 20 Ordner mit Tausenden bislang unbekannten Dokumenten auf. Beamte waren bei der Untersuchung in LKA-Archiven darauf gestoßen, berichtet der MDR. Es geht darin vor allem um die Ermittlungen gegen den THS.

17. Juli: Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hat den Verfassungsschutz wegen der Vernichtung von Akten im Zusammenhang mit der Neonazi-Mordserie gerügt. Es gebe keine gesetzlichen Prüffristen für Akten. „Die Aussage, auch vom Verfassungsschutz, diese Akten hätten aus datenschutzrechtlichen Gründen vernichtet werden müssen, sind für mich völlig unverständlich“, sagte Schaar der „Financial Times Deutschland“. Er sagte weiter, es gebe nur die Vorschrift zur Sperrung von Akten, keine „Aktenvernichtungsverpflichtung“. Die Aufgabe des Datenschutzbeauftragten beim Verfassungsschutz sei nicht nur der Datenschutz, sondern auch dafür zu sorgen, dass Daten verfügbar seien. „Seine entscheidende Aufgabe ist, dass die Strukturen der Datenhaltung ordentlich sind – da gibt es offensichtlich Mängel“, kritisierte Schaar. Auch bei der Schulung der Mitarbeiter gebe es offenbar „erschreckende Wissenslücken“.

Vor dem PUA TH sagt der ehemalige stellvertretende Leiter des TLfV, Peter Nocken, dass die Behörde bei Gründung 1993 kaum funktionsfähig war und aus hessischen Beamten hervorging, die von Hessen abgeschoben worden. „Wir waren blind, was die Neonazi-Szene angeht“, konstatiert Nocken. Q1,

18. Juli: Das BfV gibt bekannt, dass sein künftiger Schwerpunkt auf die Bekämpfung des islamistisch motivierten Terrors gelegt werde. „Unser Hauptaugenmerk ist nach wie vor auf den islamistischen Terrorismus gerichtet“, sagte der scheidende Präsident Fromm bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes 2011. Zwar seien die islamistischen Terrororganisationen wie Al Kaida geschwächt; stattdessen planten aber verstärkt Einzelpersonen und kleine Gruppen Anschläge. Fromm sprach von einem „individuellen Dschihad“. Der Verfassungsschutz befürchtet außerdem, dass sich Rechtsextremisten den nun öffentlich bekannten NSU zum Vorbild nehmen könnten. „Hier ist hohe Aufmerksamkeit gefordert“, sagte Fromm.

Das Bundeskabinett beschließt, dass der bisherige Unterabteilungsleiter im BMI, Hans-Georg Maaßen, am 1. August neuer Präsident des BfV wird.

Die „Stuttgarter Nachrichten“ berichten erstmals über die Anordnung vom 14.11.2011 zur Vernichtung von Protokollen aus den Jahren 1998/99.

Das BMI erlässt einen umfassenderen Aktenvernichtungsstopp für personenbezogene Daten aus dem Bereich Rechtsextremismus.

19. Juli: Ein Sprecher des BMI bestätigt die Anordnung vom 14.11.2011 und bestreitet einen NSU-Bezug. “… nach Ablauf der Speicherfrist schon vor einigen Jahren [2005] fristgerecht hätten gelöscht werden müssen. Dies sei im November 2011 mit Verzug geschehen, ohne dass die Akten vorher nochmals inhaltlich geprüft worden wären.” Das Thema sorgte bei der Sitzung des PUA Bundestag für Empörung. Mehrere Obleute widersprechen der Behauptung aus dem Ministerium und fordern ein striktes Moratorium: Die Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern sollten so lange keine Akten mit Bezug zum Rechtsextremismus vernichten, bis der PUA seine Arbeit beendet hat. Hans-Georg Engelke, der vom BMI beaufragte Ermittler für die Aufklärung der Aktenzerstörung, spricht bei seiner Befragung vor dem PUA Bundestag von „maximaler Schlamperei“ oder einer „gezielten Aktion“. Edathy: „In der heutigen Sitzung ist nachdrücklich klar geworden, dass es eine Vertuschungsaktion gegeben hat.“

20. Juli: Ein Sprecher des BIM verteidigte die Aussage vom Vortag. “Korrekt ist: Die im November veranlassten Löschungen hatten keinerlei NSU-Bezug. (…) Die Meldung ist insofern falsch, dass es einen NSU-Bezug gab. Richtig ist: Bei den am 5. Dezember gelöschten Akten gibt es einen NSU-Bezug. Das ist dieser Bezug. (…) Das ist richtig. Teilweise sind die Daten 14. November und 14. Dezember verwischt oder vermischt worden.”

25. Juli: Der Vorsitzende des PUA Bundestag, Edathy, zieht eine Zwischenbilanz der Aufarbeitung. Er betonte gegenüber tagesschau.de, man sei „auf einem guten Weg“. Es werde zunehmend deutlich, dass „unsere Sicherheitsarchitektur keineswegs optimal ist“. Konkret nennt der SPD-Politiker die Kooperation zwischen Polizei und Verfassungsschutz, aber auch zwischen den Verfassungsschutz-Ämtern.

Stand: 3.5.16


weiterlesen: Kapitel 8